Angesichts der digitalen Transformation und des gesteigerten internationalen sowie globalen Wettbewerbs stellt sich immer stärker und in spezifischer Weise die Frage, wie sich Wirtschaftsprozesse und unternehmerische Tätigkeit 'kultivieren', d. h. ausrichten lassen an ethischen Aspekten ökonomischen Handelns. Die Katholische Soziallehre sieht den Menschen als Person – er ist damit "Ursprung, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen". Wenn man fragt, wie diese Sicht auch für Unternehmen handlungsleitend werden kann, berührt man letztlich die Frage nach der Unternehmenskultur. Was macht eine Unternehmenskultur aus, in der sich die Menschen mit ihren individuellen Talenten entfalten können, in der sie innovativ werden und sich engagiert einsetzen für die soziale Dimension des Wirtschaftens? Wie kann eine solche Unternehmenskultur geprägt und erhalten werden?
Wirtschafts- und Unternehmenskultur sind auch zivilisatorische Leistungen. Welcher Aus- und Weiterbildung bedarf es in unseren Bildungseinrichtungen, damit zukünftige ebenso wie erfahrene Führungskräfte zu ‚Kulturträgern‘ in Wirtschaft und Unternehmen werden?
Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion und der gemeinsamen Arbeit, als vom 30. November bis zum 2. Dezember 2017 in Eichstätt über 100 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Kirche zusammenkamen, um sich über das Thema ,Wirtschaft kultivieren‘ auszutauschen. Die Gespräche fanden statt an der Katholischen Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt und im Bischöflichen Priesterseminar Collegium Willibaldinum; ausgerichtet wurden sie vom Bund Katholischer Unternehmer (BKU) und der KU in Kooperation mit der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, der Hanns-Seidel-Stiftung, der Görres-Gesellschaft und dem Cusanuswerk.
Die Konferenz startete mit einer öffentlichen Abendveranstaltung an der KU, in dessen Rahmen u. a. der neu gewählte Bundesvorsitzende des BKU, Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel, Grundzüge einer Wirtschaftsanthropologie skizzierte, die von der Idee bzw. dem Menschenbild eines "homo cooperativus" (in Ergänzung zum "homo oeconomicus") ausgeht. Im Anschluss an Ulrich Hemel erinnerte Dr. Eberhard Sasse (Gründer und Eigentümer Dr. Sasse AG und Präsident der IHK München und Oberbayern) an das Modell des "ehrbaren Kaufmanns", ein Modell, das wert-rationale Handlungsgrenzen ("Dies gehört sich nicht!") aufzeige und als anthropologisch-praktische Idee auch im 21. Jahrhundert durchaus noch Relevanz beanspruchen könne.
Die folgenden Tage der Eichstätter Gespräche 2017 mit Beiträgen zu Sektionen wie z. B. "Unternehmenskultur als Wettbewerbsfaktor in der Finanzwirtschaft" (u. a. mit Prof. Dr. Paul H. Dembinski, Universität Freiburg/Schweiz), "(Unternehmens)Kulturen als Kapital" (u. a. mit Prof. Randolf Rodenstock, Geschäftsführender Gesellschafter der Optischen Werke G. Rodenstock GmbH und Co. KG) oder auch "Gesellschaftsverantwortung von Unternehmen" (mit u. a. Thimo V. Schmitt-Lord, Geschäftsführender Vorstand Bayer Foundations, und Dr. Frank Hoffmann, Gründer und Geschäftsführer des Sozialunternehmens Discovering Hands) boten vielfach Gelegenheit zur nicht selten kontroversen Debatte.
Den Abschluss der Eichstätter Gespräche insgesamt bildete ein cusanisches Panel unter der Überschrift "Biographien fördern, Wirtschaft kultivieren – Leadership und Persönlichkeitsbildung", an dem Dr. h.c. Thomas Sattelberger, MdB (ehem. Personalvorstand der Deutschen Telekom AG), Prof. Dr. Bernd Irlenbusch (Lehrstuhl für Wirtschaftsethik an der Universität zu Köln), Eva Maria Welskop-Deffaa (Mitglied im Vorstand des Deutschen Caritasverbands) und Prof. Dr. Georg Braungart teilnahmen und referierten.
Nach dem großen Erfolg der cusanischen Beteiligung an den Eichstätter Gesprächen in den Jahren 2015 und 2016 war die Bischöfliche Studienförderung auch diesmal wieder mit einer interdisziplinär zusammengesetzten Gruppe von insgesamt 23 studierenden und promovierenden Cusanerinnen und Cusanern sowie ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten in Eichstätt vertreten, die von Prof. Dr. Georg Braungart und Dr. Tobias Davids begleitet wurde.