Bonn. Mit "Neuer Musik" eröffnete die Bischöfliche Studienförderung im Kammermusiksaal des Beethovenhauses in Bonn den Reigen ihrer Jubiläumsveranstaltungen anlässlich ihres 50jährigen Bestehens. Der Leiter des Cusanuswerks, Prof. Dr. Josef Wohlmuth, erinnerte in seiner Begrüßungsansprache daran, dass die Festlegung des Konzerttermins auf den 27. Januar 2006 mit dem vielerorts festlich erinnerten 250. Geburtstags Wolfgang Amadeus Mozarts und dem international begangenen Gedenktag an die Schrecken des Holocaust zwei Themen anspreche, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Auf der einen Seite das feierliche Gedenken an eine breit rezipierte europäische Kulturtradition eines außerordentlich begabten Künstlers, dessen Musiksprache international verständlich ist, so dass es nicht verwundere, wenn auch das cusanische Konzertprogramm Stücke deutscher, polnischer, französischer und amerikanischer Komponisten vereinige. Auf der anderen Seite symbolisiere der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz auch die stets neu wach zu haltende Erinnerung an den Kulturbruch der Shoah, die es den Kulturschaffenden späterer Generationen kaum möglich machte, in ihrer künstlerischen Ausdrucksweise einfach an frühere Epochen anzuknüpfen. "Neue Musik" zu schreiben bedeutete daher bereits in den 50er Jahren, sich quer zu restaurativen Tendenzen zu stellen und "musikalisch bei Null anzufangen, die Parameter des Klingenden zu analysieren und auf Grundlage dieser Analyse Neues zu komponieren, von dem man sich akustisch überraschen ließ", wie Dr. Nikolaus Schneider, Referent im Cusanuswerk und Initiator des Auftaktkonzerts, in seinem Begleittext zum Programm hervorhebt.
Grußworte aus Politik, Wissenschaft und Kirche verdeutlichten die Bedeutung, die der Arbeit des Cusanuswerks durch die Förderung von annähernd 5.000 ehemaligen und rund 900 aktuell geförderten Stipendiatinnen und Stipendiaten zwischenzeitlich beigemessen wird: Bürgermeister Horst Naaß, der Glückwünsche der Wissenschaftsstadt Bonn überbrachte, unterstrich die überragende Bedeutung von Investitionen in Bildung und Begabung als lohnende Zukunftsinvestitionen, wobei die hohe Dichte von Schulen, Hochschulen und wissenschaftsfördernden Einrichtungen in der Bundesstadt dokumentiere, dass sich Bonn als "lernende Region" verstehe.
Stellvertretend für die vielen Universitäten und Hochschulen, an denen das Cusanuswerk Stipendiatinnen und Stipendiaten fördert, dankte Prof. Dr. Matthias Winiger, Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, dem Cusanuswerk für fünfzig Jahre Dienst an der Studien- und Begabtenförderung. Gerade in einer Zeit, die von einem enormen nutzungs- und anwendungsorientierten Druck auf die Hochschulen gekennzeichnet ist, sei es entscheidend, auf Institutionen bauen zu können, die einer rein ökonomischen Perspektive Paroli böten. Das auf anspruchsvolle Zeitgenossenschaft zielende Konzertprogramm verdeutliche, dass es zu jeder Zeit einer hohen gesellschaftlichen Sensibilität bedürfe, die sich nicht rein zweck-, sondern vor allem wertorientierter Grundentscheidungen verdanke.
Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Dr. Hans Langendörfer, erinnerte daran, dass das bildungs- und gesellschaftspolitische Anliegen der Gründerväter des Cusanuswerks darin bestand, die mangelnde kirchliche Präsenz in Führungspositionen der noch jungen Bundesrepublik zu kompensieren. Dabei ging es jedoch nicht darum, eine katholische Kaderschmiede zu etablieren, sondern jeden Geförderten in die Freiheit zu setzen, eigene Antworten auf die Herausforderungen zu finden, denen sich gläubige Zeitgenossenschaft in jeder Gesellschaft gegenübersieht. Biographieförderung verdeutliche, dass Begabung nicht Privileg eines einzelnen, sondern Verpflichtung für das Gemeinwohl bedeutet.
Das ambitionierte Konzertprogramm verdeutlichte den annähernd zweihundert aufmerksam lauschenden Gästen, dass es zum heutigen Selbstverständnis des Cusanuswerks gehört, wache, kritische und widerständige Zeitgenossenschaft seiner Stipendiatinnen und Stipendiaten zu fördern - auch wenn die zu Gehör gebrachte Musik der in den 50er Jahren noch jungen Komponistengeneration, die unter Adornos strengem Gebot arbeitete, avantgardistisch und ergo anti-bürgerlich zu sein, sicher nicht im Horizont der Gründerfiguren der Bischöflichen Studienförderung lag. Das von den aktuell geförderten Musikerinnen und Musikern entworfene Programm vermochte spannungsreiche Entwicklungen der anspruchsvollen Kunstmusik der zweiten Hälfte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts zum Klingen zu bringen und ermöglichte dadurch musikalische Grenzerfahrungen zwischen Klangerforschung und Klangbefreiung.