Katholische Nachrichten-Agentur berichtet
50 Jahre Cusanuswerk

Bonn. Rund 5.000 Studenten hat das katholische Cusanuswerk seit seiner Gründung vor 50 Jahren gefördert. Das feierte die bischöfliche Studienförderung am Freitag, den 27. Januar 2006, mit einem Festakt in Bonn. Sie ist eines von elf Begabtenförderungswerken in Deutschland. Ob sich fünf Jahrzehnte bischöfliche Eliteförderung gelohnt haben und wo in der Bildungspolitik der Schuh drückt, schilderte der Leiter der Studienstiftung, der Dogmatiker Josef Wohlmuth, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

KNA: Herr Professor Wohlmuth, 50 Jahre Eliteförderung durch das Cusanuswerk - ein Erfolg?

Wohlmuth: Wenn man zurückschaut, war das ein voller Erfolg. Immerhin haben wir mehr als 5.000 Studenten und Promovenden gefördert. Viele von ihnen sitzen an entscheidenden Positionen in Politik, Kirche und Gesellschaft. Andere sind Professoren in Medizin, Jura, Philosophie, Theologie oder Philologie geworden. Unter den Altcusanern sind Prominente wie der frühere Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer, Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Ex-Verfassungsrichter Dieter Grimm und Paul Kirchhof, der Vorsitzende der Links-Fraktion, Oskar Lafontaine. Derzeit haben wir etwa 800 Stipendiaten in der Grundförderung und 200 in der Graduiertenförderung.

KNA: Was unterscheidet Cusaner von anderen Menschen?

Wohlmuth: Das ist eine schwierige Frage. Weil ich ja selbst als Leiter «von außen» hinzugekommen, also nicht gefördert worden bin. Doch im Ernst: Cusaner sind ein aufgewecktes, diskussionsfreudiges Völkchen, das gerne über den Tellerrand des eigenen Studienfaches hinausschaut. Unsere Sommerakademien sind bewusst interdisziplinär angelegt. Wenn es zum Beispiel um das Thema Klimawandel geht, werden naturwissenschaftliche Thesen genauso besprochen wie ethische oder soziologische. Naturwissenschaftler diskutieren dann mit Betriebswirten, Theologen oder Musikern. Im Auswahlverfahren haben sie alle wissenschaftliche Exzellenz bewiesen.

KNA: Es gibt elf Begabtenförderungswerke. Worin liegt das spezifische Profil einer bischöflichen Studienförderung?

Wohlmuth: Das Cusanuswerk wurde 1956 gegründet, um mehr Katholiken in wichtige Gesellschaftspositionen zu bringen. Die konfessionelle Prägung war - wie beim Evangelischen Studienwerk Villigst - gewollt. Inzwischen hat sich bei allen Begabtenförderungswerken der Begriff der Biografieförderung durchgesetzt: Wir wollen die Persönlichkeitsentwicklung einzelner unterstützen. Im Cusanuswerk heißt das: Wir kümmern uns auch um die Glaubensbiografie und bieten geistliche Begleitung an.

KNA: Müssen Cusaner gute Katholiken sein?

Wohlmuth: Die Stipendiaten haben meist eine katholische Sozialisation erfahren, waren Messdiener oder in Jugendgruppen aktiv. Doch wenn sie von der Schule zur Uni wechseln, gibt es einen Schnitt, der neue Probleme aufwirft und die Religiosität des Jugendlichen in Frage stellt. Auf dem Weg zu einem Glauben, der auch wissenschaftlicher Auseinandersetzung Stand hält, bieten wir Hilfestellung an. Wer aber etwa sagt, ich interessiere mich nur für Mathematik, aber nicht für gesellschaftliche oder kirchliche Fragen, wäre kein Kandidat und keine Kandidatin für uns. Das Cusanuswerk ist von einer Katholizität geprägt, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil bestimmt ist.

KNA: Bekommen Sie genug Rückwind von den Bischöfen?

Wohlmuth: Ja, wir bekommen große Rückendeckung von Seiten der Bischöfe. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, ist wirklich interessiert, dass das Werk nicht nur weiterhin besteht, sondern sich auch weiter entwickelt und gute Arbeit leistet. Bei allen Bischofsbesuchen finden wir offene Ohren für unsere Anliegen.

KNA: Wie sieht die Finanzierung aus?

Wohlmuth: Die Stipendien, die wir vergeben, sind wie bei allen Begabtenförderungswerken Bundesgelder. Die Ausstattung der Geschäftsstelle tragen aufs Ganze gesehen die Bistümer.

KNA: Ist der Begriff Eliteförderung zu vertreten?

Wohlmuth: Ich bin mit dem Begriff vorsichtig, wenn man unter Elite Leute versteht, die ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollen und sonst kein Interesse haben. Darum spreche ich lieber von einer Verantwortungselite. Das sind begabte Menschen, die bereit sind, sich für die Gesellschaft zu engagieren - wobei «Begabung» eine Gabe darstellt, für die man nichts kann, die einem in die Wiege gelegt ist.

KNA: Mit Annette Schavan ist eine frühere Leiterin des Cusanuswerks Bildungsministerin geworden. Brechen gute Zeiten an?

Wohlmuth: Im Koalitionsvertrag von SPD und Union steht: «Wir werden die Begabtenförderung ausbauen». Darüber sind wir froh. Dass Frau Schavan aus eigener Erfahrung um die Begabtenförderungswerke weiß, ist für alle ein Vorteil. Es lässt uns hoffen, dass die Gelder in Zukunft nicht nur in die Exzellenzzentren und Graduiertenschulen gehen. In der Föderalismusdebatte kämpfen wir aber darum, dass die Förderungswerke Angelegenheit des Bundes bleiben und nicht auf die Länder verlagert werden. Wenn die Länder ihre eigenen Begabtenförderungen aufbauen, sollte darauf geachtet werden, dass die weltanschauliche Pluralität der elf Förderungswerke nicht verloren geht.

Interview: Viola van Melis (KNA) Hinweis: Porträtfotos abrufbereit in der KNA-Bild-Datenbank unter www.kna-bild.de (Suchbegriff: Wohlmuth).

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