„Einfachheit“: Das Jahrestreffen des Cusanuswerks 2017

Vom 9. bis zum 11. Juni 2017 kamen fast 800 Stipendiatinnen und Stipendiaten der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk und zahlreiche hochrangige Gäste in Geseke/Eringerfeld zusammen, um sich mit dem Thema „Einfachheit“ zu beschäftigen. Wie der lebhafte Austausch in Vorträgen und Workshops zeigte, verbinden sich damit weitreichende Fragen, die viele Bereiche des privaten, gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens betreffen.

Drei Tage lang widmeten sich studierende, promovierende und ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten des Cusanuswerks den vielen Aspekten des Themas "Einfachheit". Moderne Gesellschaften sind durch fortschreitende Differenzierung und Komplexität gekennzeichnet. Die Aufrechterhaltung von Komplexität kostet viel Energie, die Unüberschaubarkeit von Zusammenhängen fordert uns heraus. Vor diesem Hintergrund gibt es eine Sehnsucht nach Einfachheit, die von der Suche nach dem Wesentlichen geprägt ist. Einfachheit in diesem Sinne bedeutet Klarheit, Konzentration, Verzicht auf Überflüssiges. Dass das einfache Leben aber auch eine Zumutung sein kann, war eines der Diskussionsfelder – ebenso wie die politische Frage nach den Konsequenzen der Vereinfachung, wie sie im Populismus zu beobachten ist. In zwei Festvorträgen sowie in acht Workshops und einem Podiumsgespräch wurden diese und weitere Fragen intensiv und kontrovers diskutiert.

Prominente Redner stellten das Thema vor

"Einfachheit – Über eine nicht ganz einfache Idee in der Wissenschaft": Der Philosoph Prof. Dr. Holm Tetens (Freie Universität Berlin) erschloss die Ambivalenz des Begriffs in seinem Eröffnungsvortrag aus wissenschaftstheoretischer Perspektive.

Ausgehend von der These, dass die Welt für unsere Erkenntnisfähigkeiten überkomplex sei, stellte Tetens fest, dass wissenschaftliche Erkenntnis nur durch Komplexitätsreduktion möglich werde. Diese gelinge allerdings nur, wenn man nicht das Ganze der Wirklichkeit, sondern Wirklichkeitsausschnitte zum Forschungsgegenstand mache. Gleichzeitig müsse man sich der Tatsache bewusst sein, dass eine Einteilung der Welt in solche Ausschnitte dem Ganzen nicht gerecht werden könne, weshalb die Definition von Einzelwissenschaften immer aufs Neue revidiert werden müsse. Nachdrücklich zu warnen sei jedoch vor der "großen Vereinfachung", die auf die unübersichtliche Vielfalt wissenschaftlicher Disziplinen reagiere, indem sie möglichst viele Theorien auf wenige reduziere. Dies könne zu einer gefährlichen Übervereinfachung der komplexen Realität führen. Insofern müsse wissenschaftliche Arbeit von möglichst einfachen fundamentalen Prinzipien ausgehen, aber akzeptieren, dass deren Anwendung auf spezielle Fälle beliebig kompliziert werden könne.

Techniken des Komplexitätsmanagements in der persönlichen Lebensgestaltung hat kaum jemand wirkungsvoller beschrieben als der Erfinder von "Simplify your life" – das gleichnamige Buch wurde in 40 Sprachen übersetzt: Der Theologe und Publizist Werner Tiki Küstenmacher präsentierte diese Techniken einem großen Publikum in seinem Workshop, der "Lebensvereinfachung als Megatrend" vorstellte, und zeigte Wege auf, die uns im Alltag Freiräume erschließen können.

Einen anderen Zugang zum Glücklichsein – denn mit der Einfachheit und einem einfachen Leben ist gewiss oft auch ein Glücksversprechen verbunden – stellte ein weiterer Bestsellerautor vor, der Psychiater Dr. Manfred Lütz. In einem höchst amüsanten kabarettistischen Vortrag, der psychologische, philosophische und spirituelle Traditionen aufgriff, konnten die Zuhörer erfahren, "wie man unvermeidlich glücklich wird".

Geistliche Dimensionen des einfachen Lebens wurden in einem Podiumsgespräch unter dem Titel "Faszination und Zumutung" diskutiert. Bruder Dr. Andreas Knapp, Ordensmitglied der Kleinen Brüder Jesu, und die Benediktinerin Schwester Dr. Johanna Buschmann legten ein beeindruckendes Zeugnis ihrer Lebensführung ab und vermittelten auf überzeugende Weise die Vorstellung ihrer Ordensgemeinschaften, dass Verzicht und Einfachheit den Menschen Gott näherbringen.


Festgottesdient am Sonntag

Zum Abschluss des Wochenendes kamen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Festgottesdienst zusammen, der von Weihbischof Dr. Christoph Hegge, dem Vorsitzenden der Kommission "Wissenschaft und Kultur" der Deutschen Bischofskonferenz, zelebriert wurde. In seiner Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag stellte er heraus, dass das christliche Selbstverständnis zu klaren Haltungen in der aktuellen Flüchtlingsdebatte wie auch gegenüber dem politischen Populismus führe. Der Heimatlosigkeit des modernen Menschen die „neue Gemeinschaft“ gegenseitiger Liebe und Hingabe entgegenzusetzen, – dies sei eine Entscheidung, die dem Vorbild Jesu folge. Wie dieser Heimat schenken konnte, weil er ganz aus Gott gelebt habe, so seien auch wir aufgefordert, uns für Integration und gegen Ausgrenzung einzusetzen. Auch dem Populismus, der ganze Gruppen von Menschen ausgrenze und abwerte, stehe das Christentum entgegen, denn der Glaube an den dreifaltigen Gott führe in eine "Gemeinschaft tiefer Wertschätzung des je anderen", die die Unterschiedlichkeit und Vielfalt ihrer Mitglieder akzeptiere.

Neben den Vorträgen und Diskussionen bot das Jahrestreffen zahlreiche Gelegenheiten zur Begegnung und zum Austausch über die vielfältigen Aktivitäten, mit denen Stipendiaten und Ehemalige wichtige Akzente in Kirche und Gesellschaft setzen

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