Über 700 Geförderte, Ehemalige und Gäste der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk widmeten sich auf ihrer Jahrestagung vom 24. bis 26. Mai 2024 im niederländischen Kasteel de Berckt (Baarlo bei Venlo) dem Thema Leistung.
„Begabung verpflichtet zu Leistung. Als kooperative Elite verwirklichen unsere Geförderten und Ehemaligen ihre Begabungen im Dienst am Nächsten. Natürlich soll und will man auch selbst vorankommen; aber wir fördern keine Einzelkämpfer, sondern Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen, die bereit sind, etwas zu wagen und sich für Gesellschaft und Kirche einzusetzen. In gewisser Weise sind die so verstandene Leistungsbereitschaft und der Wille, etwas zu gestalten, die Existenzbedingung der Begabtenförderung – zumal einer wertesensiblen, christlichen Begabtenförderung“, erklärte Prof. Dr. Georg Braungart, Leiter des Cusanuswerks. Die Kölner Historikerin PD Dr. Nina Verheyen nahm in ihrem Impulsvortrag die historischen Bedingungen für die Entwicklung unseres heutigen Leistungsverständnisses in den Blick. Als besonders interessant hob sie dabei hervor, dass zum Beispiel der Soziologe Georg Simmel (1858 bis 1918) Leistung auch als „soziale Beziehung“ verstanden habe: Der, der etwas leistet, leistet etwas für andere; Leistung sei in diesem Sinne ein Dienst für den bzw. am Mitmenschen. Dieses Verständnis kontrastiere, so Nina Verheyen, mit vielen aktuellen Leistungsdebatten, in denen es nicht darum gehe, etwas für andere zu tun, sondern schlicht darum, etwas besser zu tun.
Bei der größten Veranstaltung des Begabtenförderungswerks der katholischen Kirche in Deutschland gingen ehemalige und aktuelle Stipendiatinnen und Stipendiaten mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Kirche, Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien den Fragen nach, welche Rolle Leistung für die Gesellschaft, die Wirtschaft und das Gemeinwesen spielt: Wie gestaltet sich das Verhältnis des Individuums zur Leistung, zu Verantwortung und Führung? Welche individuellen und sozialen Voraussetzungen von Leistungsfähigkeit gilt es zu berücksichtigen? Wie hoch sind die Risiken, die sich beispielsweise in Leistungsdruck, Entsolidarisierung oder Versagensangst manifestieren?
„Etwa die Hälfte der Berufstätigen in Deutschland würde gerne in Teilzeit arbeiten, fast 80 Prozent sind für die 4-Tage-Woche“, erläuterte Dr. Thomas Scheidtweiler, Generalsekretär des Cusanuswerks, den aktuellen Trend. „Diese Umfrageergebnisse beziehen sich nur mittelbar auf die Leistungsbereitschaft der Berufstätigen, aber sie führen schon zu der Frage, welche möglichen Auswirkungen dies auf die soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit unseres Landes hat.“ Das nahm auch der stellvertretende Vorsitzende der Kommission für Wissenschaft und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Dr. Christoph Hegge (Münster), in den Blick, der vor allem die Würde des Menschen und die Bedeutung von Arbeit für das Gemeinwohl hervorhob: „Wir benötigen eine Neubewertung von Arbeit, eine Neubewertung von Leistung. Wir müssen uns fragen, inwieweit alle Menschen, die einen Beitrag zur Gesellschaft leisten, unabhängig von dessen Höhe, Wertschätzung und Anerkennung bekommen. Dabei muss auch die Würde der Arbeit stärker in den Fokus gerückt werden.“ An die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Cusanuswerkes gerichtet, betonte Weihbischof Hegge: „Die Leistung, die Sie erbringen, beruht nicht auf Ihrer sozialen Herkunft, sondern geschieht aus der inneren Motivation heraus, sich selbst als christliche Persönlichkeiten zu entfalten und das Beste Ihrer Inspiration und Schaffenskraft in unsere freiheitlich demokratische und soziale Marktwirtschaft und damit für das Gemeinwohl einzubringen. Das ist wirklich bewundernswert und verdient unser aller Dank.“
Im Festvortrag am Sonntagvormittag (26. Mai 2024) stellte Prof. Dr. Nils Goldschmidt, Professor für Kontextuale Ökonomik und Ökonomische Bildung an der Universität Siegen und Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, den Zusammenhang von Leistung und gesellschaftlichem Zusammenhalt heraus: „Die Voraussetzung für Leistungsbereitschaft und eine gute wirtschaftliche Performance ist gesellschaftlicher Zusammenhalt. Menschen brauchen das Vertrauen, dass sie neue Ideen ausprobieren und ihre Kreativität einbringen können. Eine leistungsbereite Haltung braucht gesellschaftlichen Halt“, so Prof. Goldschmidt.
Den Abschluss der Jahrestagung, die in Kooperation mit dem Katholischen Akademischen Austauschdienst stattfand, bildete die Eucharistiefeier. Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Franz Lackner OFM (Salzburg), sagte in seiner Predigt, dass der Raum, in dem menschlich-göttliche Begegnung exemplarisch geschehe, die Kirche sei: „Papst Franziskus, für mich ein Papst der Überraschungen, versucht dieser Kirche unserer Zeit ein neues ‚Outfit‘ zu geben, indem er eine Bischofssynode zum Thema Synodalität ausgerufen hat. Eine höchst erstaunliche Sache: offenbar hat die Kirche vergessen, wozu sie eigentlich da ist, nämlich Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Einheit mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit zu sein. So zumindest sagt es uns das Zweite Vatikanische Konzil.“ Erzbischof Lackner fügte hinzu: „Zu Beginn des synodalen Prozesses hörte ich von Rom kommend eine Ortsbestimmung von Kirche auf ihrem Weg durch die Geschichte: ‚Die Kirche ist wesentlich synodal und wesentlich hierarchisch.‘ In den vergangenen Monaten und Jahren ist es still geworden um diese Ansage. Das finde ich schade. Denn wie zwei Leuchttürme markieren Hierarchie und Synodalität den Weg der Kirche.“
Impressionen von der Jahrestagung 2024 finden Sie hier.
Hier finden Sie die von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Pressemitteilung vom 26. Mai 2024.
Hier finden Sie das Programm der Jahrestagung 2024.