Die Macht des Helfens – zur Bedeutung ehrenamtlichen Engagements
Jahrestagung des Cusanuswerks 2023

Vom 2. bis zum 4. Juni 2023 kamen rund 750 Stipendiatinnen und Stipendiaten, Ehemalige und Gäste der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk im Kasteel de Berckt in Baarlo bei Venlo (Niederlande) zusammen, um sich einem der wesentlichen Elemente einer gelingenden Bürgergesellschaft zu widmen: dem Ehrenamt. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Kirche, Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien diskutierten auf der größten Veranstaltung im Jahresprogramm des Cusanuswerks mit den Teilnehmenden die gesellschaftliche und individuelle Bedeutung von Helfen und freiwilligem Engagement. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Katholischen Akademischen Ausländer-Dienst (KAAD) statt.

Freiwillig Gutes zu tun, sich prosozial zu verhalten, wohltätig zu sein, sind ethische Verhaltensweisen, die sowohl für das Individuum als auch für den Staat und die Gesellschaft in hohem Maße bedeutsam sind. Der Deutsche Freiwilligensurvey zeigt, dass sich rund 40% der Deutschen freiwillig engagieren – unter den Geförderten und Ehemaligen des Cusanuswerks ist dieser Anteil sehr viel höher. Indem sich Bürgerinnen und Bürger einbringen, stoßen sie Veränderungen an, gestalten und nehmen Einfluss. Viele Institutionen, wie auch die Kirchen, sind auf dieses Engagement und das Innovationspotenzial durch Ehrenamtliche in hohem Maße angewiesen. Jedoch verändern sich die bekannten Formen freiwilligen Engagements und die Institutionen, in denen sich Helferinnen und Helfer einbringen: zunehmend ersetzen oder ergänzen neue Formen (kurzfristigen) freiwilligen Engagements tradierte Strukturen. Ob und inwiefern insbesondere die Kirchen ihre Rolle als bürger- und zivilgesellschaftliche Akteure zukunftsfähig ausüben können, war eine der zentralen Fragen der Tagung.

„Helfen ist nicht gleich Helfen, Engagement ist nicht gleich Engagement. Die enorme Vielfalt der Ausprägungen dessen, was wir auch Nächstenliebe nennen, die Motive und die ’Nebeneffekte‘ wollten wir näher erkunden“, so Prof. Dr. Georg Braungart, Leiter des Cusanuswerks, bei der Eröffnung der Tagung. Das Thema „Helfen“ im Rahmen der Jahrestagung des Cusanuswerks in den Blick zu nehmen, sei folgerichtig, betonte Generalsekretär Dr. Thomas Scheidtweiler: „Freiwilliges Engagement ist ein Auswahlkriterium und ein Förderziel von Begabtenförderung. Stipendien sind keine Belohnung für gute Noten, sondern eine Art Kredit, den die Gesellschaft gewährt und den sie mit hohen Zinsen in Form von lebenslangem freiwilligem Engagement der Geförderten zurückerhält – das hat unsere Netzwerkstudie eindrucksvoll belegt.“ Weihbischof Dr. Christoph Hegge, der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für das Cusanuswerk, hob in seinem Grußwort den Modellcharakter des Engagements so Vieler im cusanischen Netzwerk hervor.

Dr. Nadiya Kelle, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Zentrum für Altersfragen Berlin, gewährte am Freitagabend einen Einblick in die wesentlichen Erkenntnisse des jüngsten Deutschen Freiwilligensurveys 2019. Dr. Boniface Mabanza Bambu, Philosoph, Literaturwissenschaftler und Theologe an der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika, Prof. Dr. Bernhard Schneider, Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neu¬zeit an der Universität Trier, Philipp von der Wippel, Gründer und Direktor von ProjectTogether und Preisträger des Cusanus-Preises für besonderes gesellschaftliches Engagement sowie Leonie Woll, Vorstandsmitglied der Initiative Teilen im Cusanuswerk e.V. diskutierten mit den Anwesenden die Breite des kirchlichen ehrenamtlichen Engagements in Deutschland und weltweit.

„Weitgehende individuelle und auch gesellschaftliche Freiheit sind Rahmenbedingungen für eine funktionierende Kultur des Helfens. Das Mitleid und die Barmherzigkeit sind wiederum wesentliche Säulen für ebendiese Kultur. Es gibt somit kein Helfen ohne Freiheit und ebenso ist eine freiheitliche Gesellschaft nur möglich, wenn es eine funktionierende Kultur des Helfens gibt“, stellte Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist sowie Leiter der Medien-agentur Geschichte, Hamburg in seinem Festvortrag zum Thema „Helfen. Warum wir für andere da sind“ am Sonntag heraus. „Der barmherzige Samariter scheint nicht vergessen zu sein“, betonte er: „Auch, wenn die biblische Geschichte in ihren Details nicht mehr umfassend bekannt sein mag – der Impuls, dem in Not geratenen Menschen zu helfen, hat überlebt.“

Bischof Dr. Gerhard Feige (Magdeburg) warnte im Festgottesdienst am Sonntagmorgen vor einer Gottvergessenheit in der Gesellschaft. Im Osten Deutschlands gelten mehr als 80 Prozent als konfessions- bzw. religionsfrei: „Manche sprechen von einer ‚forcierten Säkularität‘ oder von ‚ererbter Gottlosigkeit’ … Während – so habe ich es einmal gehört – Gott im Westen vielfach aus dem Herzen geschwunden sei, sei er im Osten auch aus dem Kopf entwichen“, sagte Bischof Feige in seiner Predigt. Viele Menschen wüssten schon mit dem Begriff „Gott“ nichts mehr anzufangen: „Die meisten hätten Gott nicht nur vergessen, sondern auch vergessen, dass sie ihn vergessen haben.“ Die Frage nach Gott werde „allzu oft vom Lärm des Alltags übertönt und von den zunehmenden Aufgaben verdrängt“. Als Christinnen und Christen, so Bischof Feige, „sind wir davon überzeugt, dass Gott letztlich ein Geheimnis ist und bleibt, dass er sich aber auch als erfahrbar erweist und wenigstens andeutungsweise beschrieben werden kann.“ Gott lasse sich mit hineinziehen in das menschliche Schicksal und bringe sich dabei ganz ein. Das hätten auch Menschen wie Elisabeth von Thüringen oder Franz von Assisi erfahren: „Sie handelten in dem Bewusstsein, dass Gott sich für die Menschheit einsetzt und seine Botschaft in besonderer Weise denen gilt, die an den Rändern der Gesellschaft leben, ausgeschlossen von der Möglichkeit wirklicher Teilhabe.“ Davon gebe es viele, „verwundet an Leib und Seele, durch Krankheiten und andere Nöte, durch Brüche in ihrer Biografie und ihren Beziehungen, durch Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit, durch Hass und Hetze. Überall gibt es Menschen, die nicht nur dahinvegetieren wollen, sondern sich danach sehnen, mehr Sinn zu erfahren und erfüllter zu leben.“ Bischof Feige ermutigte die Cusanerinnen und Cusaner, aufmerksam zu sein, „ob Gott nicht auch heutzutage ähnlich überraschend auf ungewohnte oder sogar provokante Weise als Gast in unser Leben treten will. Lassen wir uns darauf ein, ihm auch in denen begegnen zu können, unter denen wir ihn zunächst vielleicht überhaupt nicht vermuten. Wir werden uns dabei sehr wahrscheinlich nicht nur als Angefragte und Lernende erfahren, sondern vor allem auch als reich Beschenkte.“

Impressionen von der Jahrestagung 2023

Hier finden Sie die von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Pressemitteilung vom 4. Juni 2023.

Hier finden Sie das Programm der Jahrestagung 2023.

 

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