Der Berliner Fernsehturm: Prestigeleistung der damaligen DDR und ihrer Vision einer sozialistisch-religionsfreien Zukunft. Als bei Fertigstellung 1969 sichtbar wurde, wie die Sonne auf der Kugel ein Kreuz malt, kam es zu ernsthaften Plänen, dieses Kreuz mit Antireflex-Chemie loszuwerden – und zu genüsslichem Spott von der „Rache des Papstes“. Die Anekdote verbindet den Fernsehturm mit anderen Berliner Symbolorten, an denen sich faszinierende Spannungen von säkular und sakral, von Atheismus und Religion wie in einem Brennglas der Moderne verdichten: Von Monumenten der Romantik und der preußischen „christlichen Nation“ über Zeugnisse von Ideologien und Katastrophen des 20. Jahrhunderts bis in Diskurse unserer Tage – etwa die Kontroverse um den Evangelien-Vers auf der Kuppel des Humboldtforums – und zum Berlin-Klischee „laut, sexy, gottlos“.
Wie immer man Berlin erzählen möchte: Die Hauptstadt, in der sich gut Dreiviertel der Menschen als religiös indifferent und kirchenfern verstehen, überrascht mit eigenen, „ungeplanten“ Gott-Mensch-Schnittstellen. Und sie ist Heimat eines beeindruckenden kirchlichen Lebens, das sich von dieser Diaspora-Lage zu wirkungsvollen Aufbrüchen und zu geistlicher Tiefe inspirieren lässt.
Mit theologisch offenen Augen folgen wir Spuren religiöser Sehnsucht in Berlin und erkunden Anders-Orte des Sakralen zwischen U-Bahnhof und Hochkultur – von Yadegar Asisis mulitmedialem Pergamon-Panorama zu Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ und Karl Friedrich Schinkels „Pantheon“, von den „Seligpreisungen" im Berliner Dom zum international diskutierten „Gebetomat“ des Theaterregisseurs Oliver Sturm. Zugleich studieren wir kommunikative, pastorale und pontifikale Wirkungsstrategien von Kirche, die im Berliner Kontext möglich werden: Wir sprechen mit Seelsorge-Teams des „Segensbüros für Menschen ohne Kirchengemeinde“ der Evangelischen Landeskirche und der katholischen Herz-Jesu-Kirche. Wir reflektieren die Neugestaltung der Hedwigskirche, die ganz Kathedrale sein und zugleich auch Menschen bewegen will, die nichts mit Kirche zu tun haben. Und wir nehmen uns Zeit für Plötzensee: Für die Ökumenische Gedenkstätte und für Maria Regina Martyrum, begründet 1960 als „Gedächtniskirche der deutschen Katholiken zu Ehren der Blutzeugen für Glaubens- und Gewissensfreiheit“ im Nationalsozialismus – einen herausragenden christlichen Glaubens- und Kompassort unter dem Himmel Berlins.