Ferienakademie 11 – 2022/23
Vom Wissen, das man schmecken kann – Leben und Werk des Nikolaus von Kues

Datum: 12.02. - 22.02.2023

Ort: Ludwig-Windthorst-Haus - 49808 Lingen

Leitung: Frederike Weeber - Geistliche Begleitung: Sr Joanna Jimin Lee

Die Anmeldefrist ist abgelaufen.

Inhalte der Veranstaltung

„Wer liest, was ich in verschiedenen Werken geschrieben habe, wird sehen, dass ich mich sehr oft mit dem Zusammenfall der Gegensätze beschäftigt habe“, so formuliert es Nicolaus Cusanus in dem kleinen Buch ‚De beryllo‘ (‚Über die Lupe‘ oder ‚Über die Brille‘), das von ihm selbst als Einleitungsschrift konzipiert wurde, gewissermaßen als ‚Cusanus for Beginners‘. Die Idee eines Zusammenfalls der Gegensätze – einer ‚coincidentia oppositorum‘, wie es im Latein des Cusanus heißt – ist tatsächlich ein zentrales Thema in der Philosophie und Theologie des 1401 an der Mosel geborenen Denkers. Und es ist vielleicht auch das landläufig bekannteste Thema, das fast schon reflexhaft mit dem Namen ‚Nikolaus von Kues‘ assoziiert wird. Aber was ist genau mit dieser ‚coincidentia‘ gemeint? Was steckt dahinter?
Auf der Akademie zu Nicolaus Cusanus werden wir uns u. a. mit dieser Frage befassen und uns ansehen, wie die Koinzidenztheorie zu verstehen ist und in welchen Kontext sie gehört. Daneben gibt es viele weitere Ideen – mal mehr, mal weniger bekannt –, die im cusanischen Denken eine Rolle spielen: z. B. die Idee einer gelehrten Unwissenheit (‚docta ignorantia‘) oder auch die eines schmeckenden Wissens (‚scientia sapida‘), eine Idee, die Cusanus zwar in der Tradition vorgefunden, die er aber spezifisch akzentuiert hat.

Als universal ausgreifender Geist hat sich Cusanus zudem nicht allein mit philosophischen und theologischen Fragestellungen befasst, sondern auch mit mathematischen und naturwissenschaftlichen Problemen und mit Fragen zur Jurisprudenz. Cusanus hatte nämlich – u. a. in Padua – Jura studiert und stand in Verbindung mit großen Mathematikern und Ärzten der beginnenden bzw. damals noch jungen Renaissance.

Diesen vielfältigen wissenschaftlichen Interessen des Cusanus wollen wir auf der Akademie nachgehen, die auch aus diesem Grund kein Fachseminar für Philosophie- und Theologiestudierende ist, sondern vielfältige Möglichkeiten eröffnen soll, die Denkwelt des Namenspatrons der Bischöflichen Studienförderung allererst kennenzulernen.

Allerdings – und das gehört zu diesem Kennenlernen dazu: Ein Stubengelehrter war Nikolaus von Kues keineswegs. Er wollte Kirche und Welt aktiv gestalten – u. a. als Bischof von Brixen. Zudem waren seine Schriften bisweilen auch politisch gewissermaßen ‚verortet‘: Als im Jahr 1453 die Osmanen Konstantinopel eroberten – das Zentrum des oströmischen Reiches – rief Cusanus (anders als viele seiner Zeitgenossen) nicht zur Rückeroberung auf, sondern schrieb eine Schrift über und für den Religionsfrieden (‚De pace fidei‘): In diesem Werk wird der Versuch unternommen, die vielen Riten bzw. Religionen auf einen Glauben zurückzuführen, der seinen Ursprung und sein Ziel in einem Gott hat, den alle auf die verschiedensten Weisen anbeten.

Cusanus war zweifellos ein Intellektueller, er war aber auch ein politisch und kirchenpolitisch denkender Kopf. Als einer der großen Denker des 15. Jahrhunderts war er gewiss ein Kind seiner Zeit – man täte seinem Denken daher unrecht, wenn man es aus dem historischen Zusammenhang herausreißen würde. Gleichwohl ist zu fragen, welche cusanischen Ideen und Theorien – und vielleicht auch Haltungen – heute noch von Relevanz sind. Was ist von dem, was Nikolaus von Kues vor sechs Jahrhunderten dachte, für uns, die wir jetzt und hier leben, bleibend ‚wertvoll‘?

Wenn wir uns diese Frage stellen, sind wir eingeladen, zu unseren eigenen Ideen und Theorien – und vielleicht auch Haltungen – eine kritische Distanz einzunehmen; der Theorieraum, in dem wir uns heute bewegen, erscheint dann u. U. nicht mehr als der einzig mögliche. Das Denken des Cusanus kann somit zu einer produktiven Störung vertrauter intellektueller Muster veranlassen.

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