Abschlussseminar 2022
Askese

Datum: 24.10. - 30.10.2022

Ort: HVHS Gottfried Könzgen - Haltern am See

Leitung: Sebastian Kirschner - Geistliche Begleitung: Susanne Wübker

Die Anmeldefrist ist abgelaufen.

Inhalte der Veranstaltung

„Mehr Menschen werden durch Übung tüchtig als aus natürlicher Anlage.“ (Demokrit)

Von den uralten Religionen des Orients bis in die digitale Neuzeit; von den Säulenheiligen bis zum „digital detox“. Askese ist ein fester Bestandteil menschlicher Gemeinschaft seit jeher. Seien es ganz individuelle Formen der „Einübung“ (gr. ἄσκησις, askésis) oder die großen asketischen Traditionen der Weltreligionen: zur Erlangung religiöser wie sittlicher Ziele unterzieht sich der Mensch unterschiedlichen Praktiken der Selbstkontrolle und des Verzichts

Im Christentum sind den großen Festen Weihnachten und Ostern Zeiten der Buße vorgeschaltet, der Advent und die Fastenzeit. Im Ramadan fasten Musliminnen und Muslime den ganzen Tag, um nach Sonnenuntergang umso ausgelassener die Herabkunft des Koran zu feiern. Doch nicht nur Religionen kennen die Askese: Laut seines Schülers Xenophon soll der antike Philosoph Sokrates weder Frost noch Hitze gescheut haben, um seine Tugendhaftigkeit grundzulegen. Askese diente hier der Züchtigung aller Triebe, die vom richtigen Philosophenleben wegführen. Der Philosoph als Vorbild für seine Schüler ist ein Mensch, der sich voll und ganz im Griff hat und dem der gefeit ist gegen jegliche Situation. Für Michel Foucault ist in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Askese, der Kampf der Einzelnen und des Einzelnen mit sich selbst, die Voraussetzung der Wahrheit. Nur die Person erweist ihre Rede als wahr, die ihren Worten auch entsprechende Taten grundlegt und folgen lässt.

Auf der anderen Seite dieser Wertschätzung steht immer auch die legitime Kritik der unterschwelligen Leib- und Lebensfeindlichkeit. Die Frage nach der Askese ist stets die Frage nach ihren Grenzen. Wieviel Selbstkontrolle ist nötig und wann schlägt der Verzicht in grundlegende Ablehnung gegenüber den Möglichkeiten und Genüssen um, welche uns Schöpfung und Wirklichkeit darbieten? Zudem ist Askese ein Phänomen derjenigen gesellschaftlichen Schichten, welche sich den Verzicht leisten können. Wer unabsichtlich in Armut oder Einfachheit leben muss, kann kein Asket werden oder sein.

Das Abschlussseminar möchte sich zum einen mit den historischen Formen von Askese und ihrer Kritik beschäftigen, wie sie sich in den Religionen, aber auch in der Philosophie finden lassen. Welche Rolle spielten Selbstkontrolle und Verzicht im religiösen und sittlichen Kontext? Welche Grenzen der Selbstkontrolle wurden definiert? Zum anderen soll aber auch systematisch nach Wohl und Wehe einer Askese für die heutige Auffassung einer „Lebenskunst“ gefragt werden. Inwiefern finden wir im Zeitalter der Information durch bewusste Verzichtübung wieder mehr zu uns selbst oder schneiden uns von der Lebenswirklichkeit ab?

Das Abschlussseminar wendet sich an Studierende der Studien- und Promotionsförderung kurz vor Ende ihrer Förderung sowie an Altcusanerinnen und Altcusaner bis zu einem Jahr nach Ende ihrer Förderung. Wie es dem Geist eines Abschlussseminars eigen ist, soll im Rahmen des Programms ausgiebig Raum für die Selbstreflexion und den Blick sowohl zurück in Studium und Förderung als auch nach vorn – den Blick auf den „status quo vadis“ – geöffnet werden.Inwiefern war die Studienzeit auch eine Einübung in Verzicht? Was konnte ich so richtig ohne Gewissensbisse genießen und wo hätte ich mich besser etwas zurückgenommen? Worauf schaue ich mit Dankbarkeit zurück und welche Erfahrung nehme ich als Lehre mit in das weitere Leben? Welche Erfahrungen aus dem Studium und der Förderung helfen mir jetzt auf dem Weg in die Berufstätigkeit? Vom konkreten historischen Fall über systematische Gedanken soll die Askese auch den Blick auf das ganz Persönliche öffnen, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft prägt und bewegt.

 

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